Das Reichsluftfahrtministerium unterscheidet sich von den drei anderen im Forschungsprojekt untersuchten Ministerien – dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung und dem Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete – dahingehend, dass es sich um eine dezidiert militärische Behörde handelte. Dementsprechend fanden insbesondere Militärs im RLM Verwendung. Da das Deutsche Reich schon während des Ersten Weltkriegs Luftstreitkräfte einsetzte und die Reichswehr und die Reichsmarine nachfolgend insgeheim eigene Fliegereinheiten aufstellten, konnte das RLM militärisches Personal auch aus der passenden Waffengattung rekrutieren. Anhand der Spitzengliederung zentraler Ämter im RLM soll dies nachfolgend verdeutlicht werden. Inwieweit die anderen drei Ministerien ebenfalls auf spezialisiertes Fachpersonal zurückgreifen konnten, soll im Rahmen des Projekts noch thematisiert werden.
Die Aufgaben des RLM waren klar: die Gliederung und Ausweiterung der militärischen Luftwaffenstrukturen, die Entwicklung einer Luftkriegsdoktrin und die Schaffung einer industriellen Grundlage zum Aufbau und zur Versorgung einer Luftwaffe. Dies wurde spätestens 1936 deutlich, als die Luftwaffe ihren konspirativen Deckmantel ablegte und sich als gleichberechtigte Teilstreitkraft neben Heer und Marine einordnete. 1937 erfolgte auch offiziell die Umbenennung des Luftkommandoamts des Ministeriums in den Generalstab der Luftwaffe.
Allein die Spitzengliederung der Hauptämter des anfänglichen RLM, die Zentralabteilung (ZA), das Luftkommandoamt (LA), das Allgemeine Amt (LB), das Technische Amt (LC), das Verwaltungsamt (LD) und das Personalamt (LP) spiegelt den militärischen Charakter wider. Nicht nur wurden fünf der sechs Ämter zu Beginn mit Militärs besetzt, auch nachfolgend waren es bis 1945 ausschließlich Militärs, insgesamt 26 Personen, die die Ämter leiteten. Dies stand im kompletten Gegensatz zur Aussage des Reichspräsidenten von Hindenburgs Anfang des Jahres 1933, der die Weisung herausgab, es sollen keine Militärs mehr ins RLM berufen werden. Ein ähnliches Bild zeichnete sich zu Beginn bei den Unterabteilungen ab: Im Luftkommandoamt wurden alle vier Abteilungen von Militärs geführt, im Luftwaffenpersonalamt standen beiden Abteilungen ebenfalls Militärs vor. Im Technischen Amt entstammten zwei von dreien dem Heer. Lediglich das Luftwaffenverwaltungsamt besetzte drei der vier Abteilungen mit Beamten. Dies lässt sich dadurch begründen, dass im Gegensatz zu den anderen Ämtern dem LD kein militärischer Kern zugrunde lag.
Alle sechs Leitungen der Hauptämter wurden mit Personen besetzt, die vor Gründung des RLM auf dem Gebiet der Luftfahrt bzw. in einer militärischen Behörde tätig waren. Rudolf Wenninger als erster Amtschef der Zentralabteilung war zuvor Stabschef des Luftschutzamts gewesen, welches noch bis 1934 im Reichswehrministerium angesiedelt war. Gleiches galt für Hans-Jürgen Stumpff, der als erster das Luftwaffenpersonalamt übernahm. Stumpff hatte schon zuvor das Luftwaffenpersonalamt geleitet, welches vor 1933 dem RWM unterstellt gewesen war. Ebenso waren Walther Wever, der erste Chef des Luftwaffenkommandoamts, und Wilhelm Wimmer, der erste Chef des Technischen Amts zuvor als Abteilungsleiter im RWM tätig gewesen. Der erste und bis 1945 einzige Chef des Allgemeinen Luftamts, Willy Fisch, hatte zuvor als Ministerialrat im Reichsverkehrsministerium amtiert. Albert Kesselring war ebenfalls Referent im RWM gewesen, bevor er das Verwaltungsamt im RLM übernahm. Mit Albert Kesselring und Hans-Jürgen Stumpff fanden sich zwei Chefs, die während ihrer Karriere in jeweils zwei der genannten Ämter die Leitung übernahmen.
Von den zwischen 1933 und 1945 insgesamt 26 Amtschefs waren drei ursprünglich Marineoffiziere, von denen zwei als See- bzw. Marineflieger bereits Luftwaffenerfahrung sammeln konnten. Insgesamt konnten 16 dieser Führungskräfte auf Flugerfahrung, hauptsächlich während des Ersten Weltkriegs, verweisen. 14 fanden zuvor im Reichswehrministerium Verwendung, ehe sie ihre Karriere im RLM fortsetzten. Lediglich einer, Ministerialdirektor Willy Fisch, wies zwischenzeitlich ein Beamtenverhältnis auf, ehe er im September 1941 zum General der Flieger ernannt wurde. Alle 26 Amtschefs erreichten den Generalsrang. Zum Zeitpunkt ihrer Berufung standen alle, mit Ausnahme von drei Oberstleutnants, mindestens im Rang eines Obersts, dem höchsten Stabsoffiziersdienstgrad. Eine weitere Ausnahme bildete der schon erwähnte Ministerialdirektor Willy Fisch, welcher zur Zeit seines Antritts jedoch den Charakter eines Majors innehatte. 13 wurden während ihrer Tätigkeit als Amtschef in den Generalsrang erhoben, elf waren schon vor ihrer Berufung Generale, und zwei wurden nachfolgend befördert. 20 von ihnen stiegen während ihrer Zeit als Amtschef um mindestens einen Rang auf. Drei von ihnen, Hans-Jürgen Stumpff, Ernst Udet und Hans Jeschonnek schafften es jeweils während ihrer Zeit als Amtschef viermal befördert zu werden. Dies ist bei allen drei darauf zurückzuführen, dass sie vergleichsweise lange auf ihrem Posten blieben beziehungsweise im RLM tätig waren. Bei Stumpff waren es neun, bei Udet sechs und bei Jeschonnek fünf Jahre. Von den 26 wurde Albert Kesselring die höchste Beförderung zuteil, 1940 erreichte er den Rang eines Generalfeldmarschalls. Mit Ausnahme von Bodo von Witzendorff (1876 – 1943), Werner Kreipe (1904 – 1967) und Ulrich Diesing (1911 – 1945) entstammen alle den 1880er und 1890er Jahrgängen.
Es lässt sich anhand der Spitzengliederung dieser zentralen Ämter erkennen, dass die meisten Führungskräfte Flugerfahrung mitbrachten, obwohl dies nicht als Voraussetzung für die Berufung ins RLM gelten konnte. Die technischen Bedingungen der Luftfahrt nach dem Ende des Ersten Weltkriegs bis zur Gründung des RLM hatten sich in der Zwischenzeit erheblich verändert. So hatte das Fliegen in den Jahren des Ersten Weltkriegs nur noch sehr wenig mit den Ausbildungsansprüchen der 30er Jahre gemein. Die Zugehörigkeit zum Militär und mindestens der Stabsoffiziersrang, scheinen aber für die Berufung zentrale Kriterien gewesen zu sein. Es lässt sich ebenfalls feststellen, dass das RLM für viele Offiziere gute Beförderungsaussichten und Aufstiegsmöglichkeiten bot.
Lässt man das Allgemeine Luftamt mit seinem einzigen Chef beiseite, ergeben sich für die anderen fünf Ämter während der 13 Jahre im Durchschnitt vier Personalwechsel an der Spitze. Vier dieser Führungswechsel sind auf plötzliche Todesfälle zurückzuführen, wovon vor allem der Generalstab betroffen war. Ernst Udet, der Chef des Technischen Amts, und Generalstabschef Hans Jeschonnek begingen noch während ihrer Amtszeit Selbstmord, während der erste Generalstabschef Walther Wever bei einem Unfall ums Leben kam und Jeschonneks Nachfolger Günther Korten an den Folgen des Attentats vom 20. Juli 1944 starb. Neben diesen vier Amtschefs überlebten fünf weitere den Zweiten Weltkrieg nicht. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und der Kriegsverlauf scheinen keine Auswirkung auf die Führungswechsel gehabt zu haben. Die insgesamt 22 Führungswechsel teilen sich in elf vor September und ihn elf nach September 1939 auf. Eine vermeintliche Zäsur aufgrund des Kriegsbeginns lässt sich dadurch nicht feststellen.
Quellen und Literatur:
- Hildebrand, Karl Friedrich: Die Generale der deutschen Luftwaffe 1935–1945. Die militärischen Werdegänge der Flieger-, Flakartillerie-, Fallschirmjäger-, Luftnachrichten- und Ingenieur-Offiziere einschließlich der Ärzte, Richter, Intendanten und Ministerialbeamten im Generalsrang, Bd. 1: Abernetty – v. Gyldenfeldt (= Deutschlands Generale und Admirale, Teil II: Die Generale der deutschen Luftwaffe, Bd. 1: A–G), Osnabrück 1990.
- Hildebrand, Karl Friedrich: Die Generale der deutschen Luftwaffe 1935–1945. Die militärischen Werdegänge der Flieger-, Flakartillerie-, Fallschirmjäger-, Luftnachrichten- und Ingenieur-Offiziere einschließlich der Ärzte, Richter, Intendanten und Ministerialbeamten im Generalsrang, Bd. 2: Habermehl – Nuber (= Deutschlands Generale und Admirale, Teil II: Die Generale der deutschen Luftwaffe, Bd. 2: H–N), Osnabrück 1991.
- Hildebrand, Karl Friedrich: Die Generale der deutschen Luftwaffe 1935–1945. Die militärischen Werdegänge der Flieger-, Flakartillerie-, Fallschirmjäger-, Luftnachrichten- und Ingenieur-Offiziere einschließlich der Ärzte, Richter, Intendanten und Ministerialbeamten im Generalsrang, Bd. 3: Odebrecht–Zoch (= Deutschlands Generale und Admirale, Teil II: Die Generale der deutschen Luftwaffe, Bd. 3: O–Z), Osnabrück 1992.