Bereits seit März 1941 gab es im Führungszirkel des „Dritten Reiches“ geheime Planungen für ein Reichsministerium, das die Zivilverwaltung der von der deutschen Wehrmacht künftig besetzten Gebiete in Osteuropa übernehmen sollte. Am 17. Juli 1941, wenige Wochen nach dem Überfall des Deutschen Reiches auf die Sowjetunion, wurde dieses Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete (RMfdbO) dann auch formalrechtlich mittels eines Führererlasses etabliert. Ursprünglich sollte die breite Öffentlichkeit erst nach der Eroberung Moskaus oder Leningrads – propagandistisch inszeniert – von der Einrichtung der neuen Behörde erfahren; da es aber 1941 zu keinem kriegsentscheidenden Gefecht zugunsten des Deutschen Reichs kam, informierte man am 17. und 18. November recht bescheiden mittels eines Presseempfangs und einer Pressenotiz über die Neugründung. Reichsminister wurde Alfred Rosenberg (1893–1946), der sich innerhalb der Partei bisher in erster Linie als rassenideologischer Theoretiker und Leiter des Außenpolitischen Amtes (APA) betätigt hatte, innerhalb der NS-Führungsriege aber zunehmend in Isolation geraten war.
Als Zentralbehörde für alle Angelegenheiten, die die besetzten Ostgebiete betrafen, war das Reichsministerium als Territorialministerium konzipiert. Hier sollten also nicht Vertreter anderer Reichsbehörden, die lediglich für die besetzten Ostgebiete abgestellt worden waren, zusammenkommen; vielmehr vertrat das Ostministerium den Anspruch einer allumfassenden Zivilverwaltung, die sich auch in dessen Behördenstruktur widerspiegelte. Die Hauptabteilungen Politik, Verwaltung und Wirtschaft waren so jeweils in Regional- und Ressortabteilungen bzw. Chefgruppen (z.B. Ukraine, Kaukasus, Rassenpolitik, Kultur, Presse, Gesundheitswesen, Ernährung & Landwirtschaft usw.) unterteilt, die nach unten weiter ausdifferenziert wurden. Daneben existierte eine Reihe an Sonderreferaten, so etwa die Zentralabteilung, die für die innere Organisation des Ministeriums in Berlin zuständig war, die „Dienststelle für die Arbeitskräfte aus den besetzten Ostgebieten“ oder die Reichszentrale für Ostforschung.
Nach Beendigung der Kampfhandlungen sollten laut dem Führererlass vom 17. Juli 1941 in den neu besetzten Ostgebieten die Aufgaben der Verwaltung an sogenannte Reichskommissariate übergehen. Diese standen – zumindest formal – in enger Verbindung mit dem Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete: Die Reichskommissare waren Rosenberg gegenüber ebenso weisungsgebunden, wie ihre gesamte Behörde dem Ministerium unterstellt sein sollte. Ursprünglich war die Einrichtung von Reichskommissariaten für die Gebiete Ostland, Ukraine, Muskowien, Kaukasus und Don-Wolga geplant. Der Kriegsverlauf aber zerschlug diese Pläne: Letztlich kam es lediglich zur Gründung der beiden Reichskommissariate Ostland und Ukraine unter der Führung von Hinrich Lohse (1896–1964) bzw. Erich Koch (1896–1986), die sich dem Einfluss des Reichsministers und seiner Mitarbeiter immer wieder entziehen konnten.
Auch kam es zu Auseinandersetzungen mit konkurrierenden Reichsbehörden und anderen nationalsozialistischen Organisationen, beispielsweise mit der SS Heinrich Himmlers oder der Vierjahresplanbehörde Hermann Görings, die auf polizeilichem respektive wirtschaftlichem Gebiet auch in den Ostgebieten über weitgehende Kompetenzen verfügten. Um dem drohenden Bedeutungsverlust während des weiteren Kriegsverlaufs entgegenzuwirken und die eigene Stellung durch effizientere Strukturen zu stärken, unternahm man im Sommer und Herbst 1943 deshalb Schritte, die Organisation des RMfdbO umzustellen, wodurch einige Abteilungen aufgelöst oder neu eingegliedert wurden.
Die Mitarbeiter des Ostministeriums waren in die Gewaltverbrechen der nationalsozialistischen Diktatur in Ost- und Mitteleuropa auf organisatorischer und ideologischer Ebene auf vielfache Weise involviert. Aktiv war man im RMfdbO an der Planung und Durchführung des Holocaust beteiligt, so etwa der Sonderdezernent für Rassefragen Erhard Wetzel (1903–1975), der als Verfasser des „Gaskammerbriefes“ bekannt wurde, oder Alfred Meyer (1891–1945), ständiger Vertreter Rosenbergs, der zusammen mit Ministerialdirektor Georg Leibbrandt (1899–1982) an der Wannsee-Konferenz teilnahm. Auch waren die Bürokraten des Ostministeriums an entscheidenden Stellen mit der Organisation der Deportation von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern und den Planungen zur wirtschaftlichen Ausbeutung der besetzten Gebiete wesentlich beschäftigt.
Mit dem Vormarsch der Roten Armee zerfielen die Reichskommissariate in den besetzten Ostgebieten schließlich und wurden nach zwischenzeitlicher Militärverwaltung am 10. November 1944 aufgelöst. Das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete geriet durch den Kriegsverlauf in arge Bedrängnis, da jegliche Legitimation für die Existenz der Behörde fehlte; die wenigen Mitarbeiter, die Rosenberg kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges geblieben waren, entließ er Mitte April 1945 ohne weitere Anweisungen.
Literatur
Gerlach, Christian: Kalkulierte Morde. Die deutsche Wirtschafts- und Vernichtungspolitik in Weißrußland 1941 bis 1944, Hamburg 2000.
Piper, Ernst: Alfred Rosenberg. Hitlers Chefideologe, München 2005.
Zellhuber, Andreas: “Unsere Verwaltung treibt einer Katastrophe zu…”. Das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete und die deutsche Besatzungsherrschaft in der Sowjetunion 1941-1945 (= Berlin & München. Studien zu Politik und Geschichte, Bd. 3), München 2006.