Reichsluftfahrtministerium (RLM)

Nach dem Ersten Weltkrieg verbot der Artikel 198 des Versailler Vertrags dem Deutschen Reich, zu Lande und Wasser Luftstreitkräfte zu unterhalten. Dies war auch in der zivilen Luftfahrt mit Bau- und Produktionsverboten verbunden. Trotz des daraus resultierenden entwicklungstechnischen Rückstands kam es, nachdem 1922 die Beschränkungen in der zivilen Luftfahrt weitgehend aufgehoben wurden, schnell zu einem erheblichen Aufschwung in der deutschen Luftfahrtindustrie. Die Reichswehr begann bereits 1924 im Geheimen damit, Piloten auszubilden. Als Tarnung dienten Sport- und Verkehrsflieger sowie deren Flugschulen. Mit dem Eintritt Deutschlands in den Völkerbund 1926 und dem daraus resultierenden Ende der Arbeit der „Interalliierten Kontrollkommission“ 1927, deren Aufgabe es war, die Einhaltung der Bestimmungen des Versailler Vertrags zu überprüfen, arbeitete man immer weniger im Verborgenen.

Dass hinsichtlich der Schaffung des dritten Wehrmachtsteiles zuerst ein formal ziviles Luftfahrtministerium entstand, wurde von den Militärs – trotz der Restriktionen des Versailler Vertrags – für den Aufbauprozess der Luftwaffe als „außerordentlich schwierig“ wahrgenommen. In einem internen Schreiben der Reichswehr Anfang 1933 heißt es, dass die „militärischen Belange“ in einem zum Teil „zivilen und politischen Ministerium nicht gewährleistet“ seien. Heeresgeneräle wie Friedrich Hoßbach sahen im zukünftigen Reichsminister und Staatssekretär keine Soldaten, sondern „revolutionäre Politiker“ an der Spitze des RLM. Während sich Heer und Marine in einer „jahrhundertealten Tradition“ im NS-Staat einbänden, wäre die Luftwaffe eine „nicht an die Vergangenheit gebundene Neuschöpfung.“

Reichsminister der Luftfahrt Hermann Göring | Jahrbuch der Deutschen Akademie der Luftfahrtforschung 1938/39, München/Berlin 1939.

Auf die Ernennung Hermann Görings (1893 – 1946) zum „Reichskommissar für den Luftverkehr“ am 30. Januar 1933, folgte am 2. Februar die von ihm forcierte Umbenennung und Einrichtung eines „Reichskommissariats für die Luftfahrt“, aus dem am 5. Mai das Reichsluftfahrtministerium (RLM) hervor ging. Vorläufig auf verschiedene Räumlichkeiten in der Berliner Innenstadt verteilt, bezog man 1935 ein neuerrichtetes Gebäude in der Wilhelmstraße 97 an der Kreuzung zur Leipziger Straße, welches eigens für das Ministerium gebaut worden war.

Görings Pläne in der Militärpolitik stießen zunächst auf erhebliche Widerstände. Denn für den Reichswehrminister Werner von Blomberg war noch Anfang Februar 1933 klar, dass die militärische Luftfahrt ausschließlich dem Reichswehrministerium unterstellt sein müsse. Göring, der die Luftwaffe als eine selbstständige und unabhängig operierende Waffengattung betrachtete und von Blomberg gerieten auch in der Folgezeit häufig aneinander. In einem Staat, der sich jedoch deutlich auf die Militarisierung der Gesellschaft fokussierte, war die Trennung zwischen ziviler und militärischer Luftfahrt zunehmend irrelevant geworden. Die Militarisierung ließ sich insbesondere an den Personalstrukturen des RLM erkennen, wo die engen Verflechtungen mit dem Reichswehrministerium bestehen blieben, so wurden zu Beginn vier Abteilungsleitungen des neuen Ministeriums mit Heeresoffizieren besetzt und auch später blieben mehr Militärs als Zivilisten in Führungspositionen des RLM beschäftigt. Das Kommissariat setzte sich darüber hinaus aus den Abteilungen Luftverkehr des Reichsverkehrsministeriums (RVM) und Luftschutz des Reichsinnenministeriums (RMI) zusammen, welche beinahe geschlossen überführt wurden. Dies bedeutete, dass ein Großteil des Beamtenpersonalkörpers vom Reichsinnen- und Reichsverkehrsministerium übernommen wurde.

Unter dem konspirativen Deckmantel der zivilen Luftfahrt wurde die Entwicklung einer Luftwaffe vorangetrieben. So bildete das RLM einerseits die höchste Kommandostelle der deutschen Luftwaffe und war andererseits die oberste Reichsbehörde für die deutsche Zivilluftfahrt und den Zivilluftschutz. Dem neugegründeten Ministerium wurden früh große finanzielle Möglichkeiten eingeräumt, denn es gehe um nichts weniger, als den Wiederaufbau der Wehrmacht und der damit verbundenen Zukunft Deutschlands, so Adolf Hitler. Dem Heer werde damit zu der wichtigsten Waffe für die Zukunft verholfen, betonte er. Fortan bildeten drei Hauptaspekte die Tätigkeit des RLM. Die Ausweitung der militärischen Strukturen, die Entwicklung einer geeigneten Luftkriegsdoktrin und die Schaffung einer industriellen Grundlage zum Aufbau und Versorgung einer Luftwaffe.

Das Reichsluftfahrtministerium in Berlin | Bundesarchiv Bild 183-H28407, Berlin, Reichsluftfahrtministerium, CC BY-SA 3.0 DE

Mit dem Erlass vom 26. Februar 1935 trat die Reichsluftwaffe am 1. März aus dem Geheimen als dritter Wehrmachtteil neben dem Reichsheer und der Reichsmarine an die Öffentlichkeit. Fortan war auch der Generalstab der Luftwaffe offiziell ein Teil des RLM. Im spanischen Bürgerkrieg 1936 bis 1939 kam die deutsche Luftwaffe unter dem Decknamen „Legion Condor“, ohne deutsche Hoheitsabzeichen und formell dem nationalspanischen Kommando unterstellt, erstmals  zum Einsatz.

Ehemalige Piloten aus dem Ersten Weltkrieg – so wie Göring – übernahmen zentrale Positionen im RLM, wie beispielsweise Willy Fisch (1886 – 1963), welcher das Allgemeine Amt leitete, Kurt Knipfer (1892 – 1969), mit dem zivilen Luftschutz betraut oder Albert Mühlig-Hofmann (1886 – 1980), mitverantwortlich für das zivile Luftfahrtwesen. Eine weitere wichtige Entscheidung war die Ernennung Erhard Milchs (1892 – 1972) zum Staatssekretär. Mit ihm gewann Göring Ende Januar 1933 als Vorstandsmitglied der Lufthansa einen einflussreichen Funktionsträger der Luftfahrtpolitik.

Mit Kriegsbeginn 1939 war die Luftwaffe zwar einsatzfähig, konnte aber mittelfristig den Kriegsplänen kaum gerecht werden. Dies war weniger einer fehlerhaften Planung geschuldet, als vielmehr einer unzureichenden Industrie- und Rohstoffkapazität. Die Luftschlacht um England 1940 sollte die Wende rund um Görings Karriere im RLM einleiten. Mit der Niederlage ging für ihn ein Kompetenz- und Prestigeverlust einher. Dieser gipfelte darin, dass Hitler zunehmend Görings Fähigkeiten in Frage stellte und spätestens 1942 elementare Entscheidungen der Luftkriegsführung selbst traf. 1944 war die Luftwaffe kaum noch strategisch einsatzfähig. Der endgültige Bruch erfolgt kurz vor Kriegsende, als Hitler Göring des Verrats bezichtigte und am 25. April 1945 absetzen und verhaften ließ.

 

Literatur

Boog, Horst: Die deutsche Luftwaffenführung 1935-1945. Führungsprobleme, Spitzengliederung, Generalstabsausbildung (=Beiträge zur Militär- und Kriegsgeschichte Bd. 21), Stuttgart 1982.

Budraß, Lutz: Flugzeugindustrie und Luftrüstung in Deutschland 1918-1945. (=Schriften des Bundesarchivs 50), Düsseldorf 1998.

Völker, Karl-Heinz: Die deutsche Luftwaffe 1933-1939. Aufbau, Führung und Rüstung der Luftwaffe sowie die Entwicklung der deutschen Luftkriegstheorie (=Beiträge zur Militär- und Kriegsgeschichte Bd. 8), Stuttgart 1967.

 

Quellen

BArch Freiburg, RH 8/3600, Blatt 254 ff.

Hoßbach, Friedrich: Zwischen Wehrmacht und Hitler 1934 – 1938, Göttingen 1965², S. 98.

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