Ein Leben im Flug. Adolf Baeumkers Karriere von der deutschen Luftwaffe zur U.S. Air Force

Reichswehr, Wehrmacht, Air Force und Bundeswehr. Adolf Baeumker galt als einer führenden Organisatoren der Weimarer und NS-Luftforschung, aber auch nach 1945 blieb er gestalterisch der Luftfahrt treu. Wie kaum eine andere Karriere in der Luftfahrt verdeutlichte Adolf Baeumker, in welchem Spannungsverhältnis Beamte und Militärs im Reichsluftfahrtministerium zueinander standen.

Adolf Baeumker wurde am 14. Juli 1891 als eines von fünf Kindern des Universitätsprofessors Clemens Baeumker (1853 – 1924) und seiner Frau Wilhelmine, der Tochter des Amtsgerichtsrats und Zentrumpolitikers Franz von Hartenfeld, in einer tief religiösen Familie in Breslau geboren. Die Wissenschaftskarriere des Vaters brachte es mit sich, dass die Familie regelmäßig umziehen musste. 1900 ging es nach Bonn, 1903 nach Straßburg und 1912 nach München. Die dadurch bedingten häufigen Schulwechsel schienen sich negativ auf Adolf Baeumkers Leistungen ausgewirkt zu haben und zur Enttäuschung des Vaters begann Baeumker nach Beendigung seiner Schulzeit kein Studium. In seinen Memoiren schrieb Baeumker, dass der Vater ihn für das „dümmste seiner fünf Kinder“ gehalten habe. Stattdessen trat Baeumker im September 1908 in Straßburg in die Königlich Preußische Armee ein, wo er 1910 zum Offizier und 1912 zum Bataillonsadjutant ernannt wurde. Bei Kriegsbeginn war Baeumker mit dem Festungswesen betraut, ehe er 1915 zur Fliegertruppe versetzt und darauffolgend in verschiedenen Oberkommandos eingesetzt wurde. Bis Kriegsende absolvierte Baeumker eine Generalstabsausbildung. Im März 1918 schrieb er sich kurzzeitig für Naturwissenschaften und Jura an der Universität Freiburg ein.

 

Adolf Baeumker 1926
Adolf Baeumker (Mitte) im Jahr 1926 | BArch ZA 3/802.

 

Die Luftfahrt blieb auch nach dem Ende des Ersten Weltkriegs sein Interessensgebiet. Im Januar 1919 fand er als Assistent in der Inspektion der Fliegertruppen im Reichswehrministerium Verwendung. Eine nur vorübergehende Tätigkeit, denn mit dem Inkrafttreten des Versailler Vertrags waren die Luftstreitkräfte der Reichswehr ab Oktober 1919 zu demobilisieren. Wie die meisten Deutschen nahm auch Baeumker die Bestimmungen des Versailler Vertrags verbittert auf und wollte daraufhin sein „weiteres Leben der deutschen Wiederaufrüstung widmen.“ In einem von ihm 1919 verfassten Aufsatz schrieb er davon, wie „Weltmächte“ den Versailler Vertrag nutzen würden, um das Luftbildwesen zu beherrschen und damit „wirtschaftliche Knebelung über die kleinen Mächte auszuüben“. Trotz der strengen Restriktionen trieb die Reichswehr die Aufrüstung der Luftwaffe im Verborgenen voran. In entscheidender Position mit dabei: Adolf Baeumker. Mit dem Referat Flugtechnik in der Inspektion für Waffen und Gerät (IWG) wurde der Grundstein für den geheimen Aufbau der Luftwaffe gelegt. Als die interalliierte Kontrollkommission diesen Bestrebungen ein Ende bereitete, wechselte Baeumker zum Wehrkreiskommando III in Berlin, wo er ebenfalls mit der Luftrüstung betraut war.

1924 wurden im Truppenamt der Reichswehr vier neue Referate eingerichtet, welche sich mit der Luftrüstung befassen sollten. Für das Technikreferat wurde Baeumker auserkoren. Aus dem Truppenamt sollte später der Generalstab der Luftwaffe hervorgehen.

Nachdem er 1925 zur deutschen Delegation auf der Genfer Abrüstungskonferenz gehört hatte, trat Baeumker im Juli 1927 trotz lukrativer Angebote aus der Reichswehr aus und wurde als höherer Beamter ins Reichsverkehrsministerium übernommen. Eine Entscheidung, die für ihn rückblickend von erheblicher Tragweite war. Während seine damaligen Kollegen, welche im Heeresdienst blieben, eine steile Karriere machten, insbesondere, nachdem die Luftwaffe 1935 offiziell als dritter Wehrmachtteil das Licht der Öffentlichkeit erblickt hatte, hatte Baeumker stets das Gefühl gehabt, immer wieder hinter seinen Möglichkeiten geblieben zu sein, bis er 1941 endgültig an den Rand gedrängt wurde. Aus damaliger Sicht war Baeumkers Schritt durchaus nachvollziehbar, durch die Restriktionen, welche der deutschen Luftfahrt auferlegt wurden, bildete sich, was die Zuständigkeiten der Luftrüstung betraf, eine „eigentümliche Doppelung“ (Lutz Budraß) heraus. Das Reichswehrministerium wurde zwar federführend was den personellen, militärischen und operativen Kern der neuen Luftwaffe betraf, die politische und infrastrukturelle Grundsteinlegung, sowie die Koordinierung der Luftfahrtforschung fanden jedoch außerhalb der militärischen Ägide statt. Das war neben der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt, der Luft-Hansa und dem Reichsverband der deutschen Luftfahrtindustrie (RDLI) in erster Linie das Reichsverkehrsministerium.

Die Abteilung Luftfahrt im Reichsverkehrsministerium wurde seit 1924 von Fritz Brandenburg geführt. Gemeinsam mit Willy Fisch und Albert Mühlig-Hoffmann bildeten sie mit dem 1927 dazu gestoßenen Baeumker den personellen Führungskern der zivilen Elemente des zukünftigen Reichsluftfahrtministeriums. In erster Linie koordinierte Baeumker die Luftfahrtforschungsinstitute, wo er entscheidenden Einfluss ausübte und die strukturelle Förderung des Deutschen Forschungsrats für Luftfahrt vorantrieb. Er war der Beginn des „Königreich Baeumker“, wie es sein ehemaliger Referent Hubert Freiherr von Welser rückblickend bezeichnete.

Adolf Baeumker
CC BY-NC 2.0 (als gemeinfrei gekennzeichnet)

Die Abteilung des Reichsverkehrsministeriums wurde 1933 beinahe vollständig gemeinsam mit dem im Reichswehrministerium angesiedelten Luftschutzamt in das provisorische Reichskommissariat für Luftfahrt übernommen, lediglich Brandenburg blieb im Reichsverkehrsministerium. Die „eigentümliche Dopplung“ war damit aufgehoben. Im Reichsluftfahrtministerium (die Umbenennung und Aufwertung erfolgte im Mai 1933) übernahm Baeumker, mittlerweile NSDAP-Parteimitglied und Ministerialrat, den Abteilungsleiterposten für Luftfahrtforschung im Technischen Amt. In dieser Funktion wurde er auch Mitglied in den Vorständen sämtlicher Einrichtungen der deutschen Luftfahrtforschung.

Der Zusammenschluss ließ die militärische Aufgabe des Ministeriums „sofort in den Vordergrund“ treten, erinnerte sich Baeumker. Eine Abgrenzung zwischen zivilen und militärischen Planungen in der Forschung war obsolet geworden. 1936 ließ Reichsluftfahrtminister Hermann Göring die Deutsche Akademie der Luftfahrtforschung gründen, deren Kanzler Baeumker wurde. Unter Baeumkers Einfluss erfolgte der Ausbau der Luftfahrtforschungsanstalten im Deutschen Reich. Neu entstanden unter anderem die Deutsche Forschungsanstalt für Luftfahrt in Braunschweig und die Luftfahrtforschungsanstalt München. Im Januar 1938 erfolgte seine Ernennung zum Ministerialdirigenten. Es war die Zeit des rasanten Aufbaus der deutschen Luftfahrt; 1933 arbeiteten knapp 300 Menschen in den Luftfahrtforschungsanstalten, bei Kriegsbeginn über 5.000, in den Kriegsjahren waren es zwischen 10.000 und 15.000.

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs rückte die Forschung zu Gunsten der Entwicklung zunehmend in den Hintergrund. Nach dem Selbstmord des Leiters des Technischen Amts Ernst Udet im November 1941 wurde das Technische Amt aufgelöst und Baeumker schied kurz darauf, auf Geheiß des Staatsekretärs Erhard Milchs, aber auch krankheitsbedingt, aus seiner Funktion aus. Den schleichenden Niedergang der Luftfahrtforschung und seines Einflusses machte Baeumker schon davor an einigen Punkt fest. Einer war die nicht nur aus seiner Sicht völlige Fehlbesetzung Udets als Leiter des Technischen Amts. Udet spaltete das Technische Amt in immer zahlreichere marginalisierte Unterabteilungen auf. Waren es 1933 zu Beginn drei, sollten es 1941 37 Gruppen sein. Die Forschungsabteilung war eine von vielen geworden. Weitere Umstrukturierungen ließen Udet zunehmend die Übersicht über die Tätigkeitsbereiche seines Amts verlieren. Zuletzt war es das grundsätzliche Denken, welches insbesondere durch Göring geprägt wurde, Wissenschaftler, Techniker und Zivilisten seien gegenüber den Militärs im Reichsluftfahrtministerium „minderrangig“, so Baeumker. Im April 1942 wurde Baeumker von Milch die Leitung der Luftfahrtforschungsanstalt in München übertragen, gestalterisch und organisatorisch hatte er damit keinen großen Einfluss mehr.

Unmittelbar nach der Kapitulation am 8. Mai 1945 war das Interesse der Alliierten an den deutschen Errungenschaften in der Wissenschaft groß. Dies betraf auch die Luftfahrtforschung. Engländer und Amerikaner unterbreiteten Baeumker Angebote. 1946 siedelte Baeumker mit seiner Familie in die USA über und arbeitete zunächst für das Air Force Systems Command in Baltimore, anschließend bei verschiedenen anderen militärischen Dienststellen. 1954 wurde Baeumker U.S.-amerikanischer Staatsbürger. Rückblickend sprach Baeumker davon, wie gut die Luftfahrtforschung in den USA organisiert gewesen und wie sehr man seine Expertise geschätzt habe, obwohl er anfangs wie ein „Halbgefangener“ behandelt worden sei. Seine Beweggründe, in den USA beruflich tätig zu werden, hatten aber in erster Linie wirtschaftliche Gründe. In Deutschland sah er, spätestens als dort 1951 seine Versorgungsansprüche erloschen, keine finanzielle Perspektive mehr.

Adolf Baeumker 1926
Adolf Baeumker (zweiter von links) im Jahr 1926 | BArch ZA 3/802.

Im Jahre 1958 kehrte er, nachdem zwei Jahre zuvor seine Frau verstorben war und er kurz darauf einen Schlaganfall erlitten hatte, nach Deutschland zurück und wurde zum Hauptquartier der amerikanischen Luftwaffe in Europa USAFE in Wiesbaden versetzt, um für die Zusammenarbeit in Forschung und Entwicklung zwischen BRD und den USA tätig zu werden. Ausschlaggebend hierfür war das Angebot des damaligen Bundesverteidigungsministers Franz Josef Strauß (1915 – 1988), seine Versorgungsansprüche wieder wirksam werden zu lassen. Im April erhielt er einen Forschungsauftrag der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) und wurde in beratender Funktion für das Bundesverteidigungsministerium tätig. 1959 wurde er Mitglied im Kuratorium der Deutschen Gesellschaft für Flugwissenschaften (DGF). Darüber hinaus publizierte er zahlreiche Schriften zur Luftfahrtforschung und Luftfahrtgeschichte. Veröffentlichungen, in welchen er versuchte, seine Leistungen in den Vordergrund zu rücken und daher „kompensatorischen Charakter“ (Lutz Budraß) besaßen. Insbesondere sein Ausscheiden 1941 lastete schwer auf ihm. Neben der Luftforschung waren es die Beziehungen zwischen den USA und Deutschland, die seine Karriere nach 1945 bestimmten.

Am Ende seiner Karriere wurden ihm hohe Auszeichnungen von deutscher aber auch von amerikanischer Seite zuteil. 1961 erhielt er das Große Bundesverdienstkreuz und 1973 die höchste zivile Auszeichnung der USA, die „Decoration for Exceptional Civilian Services“. An seinem 75. Geburtstag 1966 resümierte Baeumker: „Mein Leben verlief zeitlich in vier großen Abschnitten und jeder derselben brachte seine Erfüllung wie seine besonderen Rückschläge: als deutscher Offizier, als Reichsbeamter in gemischt technischem und administrativem Dienst, als technischer Berater der United [States] Air Force und zuletzt als von der USAF delegierter Berater deutscher Dienststellen in der Bundesrepublik.“ Baeumker verstarb am 4. März 1976 in Bad Godesberg.

 

Quellen

Baeumker, Adolf: Zur Geschichte der deutschen Luftfahrtforschung. Ein Beitrag. München 1944.

Baeumker, Adolf: Ein Lebensbericht des Dr. rer. Nat. Adolf Baeumker zu seinem 75. Geburtstag am 14. 07. 1966 in Bad Godesberg. Bad Godesberg 1966.

BArch R 3/859; RL 39/1156; N 584 Nachlass Adolf Baeumker; ZA 3/284; ZA 3/802.

 

Literatur

Benecke, Th.: Gedächtnisvorlesung für Dr. Adolf Baeumker, in: Jahrbuch der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt, Bonn 1992.

Hein, Katharina: Baeumker, Adolf (1891-1976). Einblicke in die Organisation von Luft- und Raumfahrtforschung von 1920 – 1970, Göttingen 1995.

Hormann, Jörg-M.; Zegenhagen, Evelyn: Deutsche Luftfahrtpioniere 1900 – 1950, Bielefeld 2008.

Maier, Helmut (Hrsg.): Rüstungsforschung im Nationalsozialismus. Organisation, Mobilisierung und Entgrenzung der Technikwissenschaften, Göttingen 2002.

 

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