Eine kollektivbiografische Studie zur Beamtenschaft des Reichsministeriums für die besetzten Ostgebiete steht in erster Linie vor der Herausforderung, den Personenkreis zu bestimmen, der den dortigen bürokratischen Apparat ausfüllte. Erschwert wird die Suche nach den „Gefolgschaftsmitgliedern“ des Ostministeriums dabei durch die fast vollständige Zerstörung der Personalakten (und vieler weiterer Aktenbestände des RMfdbO), sodass nach weiteren Mitteln und Wegen gesucht werden muss, die Beamten des Ministeriums ausfindig zu machen.
Über die zum Ministerium erhaltenen Aktenbestände hinaus, die größtenteils im Bundesarchiv in Berlin-Lichterfelde vorliegen, geben vor allem die ministeriumseigenen Veröffentlichungen Hinweise auf die dortige Personalstruktur. Neben dem „Verordnungsblatt“, das Erlasse der Berliner Zentralbehörde bekanntgab, und dem „Amtsblatt“, das Bestimmungen versammelte, die nicht für die Öffentlichkeit gedacht waren, ist auch das „Mitteilungsblatt des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete“ zu nennen, welches vor allem der hausinternen Kommunikation diente.
In dem Blatt, das nur in 27 aufeinanderfolgenden Ausgaben ab Dezember 1943 überliefert ist, wurden Urlaubs- und Ferienangelegenheiten geklärt, Hinweise auf Buchneuerscheinungen und relevantes Kartenmaterial gegeben oder Erlasse anderer Ministerien bekanntgemacht. Auch Fragen der Briefkommunikation und des Fernmeldewesens fanden hier ihren Platz, ebenso Dienststellenverlegungen infolge von Kriegseinwirkungen. Hohe Relevanz für die Erforschung der Beamtenschaft des Ostministeriums haben aber vor allem jene Mitteilungen, die Personalnachrichten dokumentierten oder den Aufbau des Ministeriums beziehungsweise dessen Umstrukturierung betrafen.
In den überlieferten Ausgaben des „Mitteilungsblattes“ geben die meist zu Beginn aufgeführten „Personalveränderungen“ in insgesamt 866 Kurzmitteilungen[1] unter Nennung des Nachnamens an, welche Neuerungen sich innerhalb der Personalstruktur des Ministeriums in den vergangenen Wochen und Monaten ergeben hatten. Die Veränderungen betrafen zu mehr als zwei Dritteln Personen, die das Ministerium verließen: Überwiegend handelte es sich dabei um jene „Gefolgschaftsmitglieder“, die ohne Angabe von Gründen oder einer Folgeanstellung aus dem Dienst des RMfdbO ausschieden (557 Fälle). Aber auch Einberufungen zur Wehrmacht (88) und Abordnungen an andere staatliche Stellen im Reich (13) konnten für den Abschied aus Rosenbergs Ministerium ursächlich sein. Seltener hingegen übernahm das Ministerium selbst Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anderer Behörden (88) oder stellte diese neu ein (32). Dieses Ungleichgewicht zwischen Neueinstellungen und Entlassungen trägt vor allem dem Kriegsverlauf Rechnung, der durch den territorialen Zerfall der besetzten Ostgebiete auch in einer personellen Verschlankung des Ministeriums resultierte. Nicht zuletzt fanden Beförderungen (28) oder Versetzungen (41), die den Arbeitsplatzwechsel zwischen verschiedenen Abteilungen des Ministeriums dokumentierten, im „Mitteilungsblatt“ ihren Platz.
Vor allem die Aufführung der Anstellungsverhältnisse ist für das Projekt von hoher Wichtigkeit, kann doch so eine Reihe von Beamten benannt werden, die dem Ostministerium in höheren Stellungen diente. Obwohl der übergroße Teil der Personalrochaden lediglich die Angestellten des Ministeriums betraf, lassen sich so anhand des „Mitteilungsblatts“ 117 Beamte (nach)namentlich nennen, die nach derzeitigem Kenntnisstand im höheren Dienst oder in Spitzenstellungen für Rosenberg arbeiteten. Insbesondere für jene Beamten, die – wie beispielsweise (Ober-)Regierungsräte, Medizinalräte oder Oberstudiendirektoren – keine Abteilungsleitungen innehatten und damit für die Forschung zum Ostministerium bisher nur schwer greifbar sind, ist das „Mitteilungsblatt“ deshalb eine Quelle von hohem Wert. Zugleich können mittels der „Personalveränderungen“ die Abteilungen bestimmt werden, in denen die Bürokraten zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens oder Wechselns tätig waren. Auch einzelne Karriereschritte lassen sich über das „Mitteilungsblatt“ nachvollziehen, etwa im Falle des Ministerialrats Heinz Lohbeck, der aus der Personalabteilung des Reichsministeriums kommend im Juli 1944 als Regierungsvizepräsident nach Koblenz wechselte und dort später auch das Entnazifizierungsverfahren durchlief.
Dass das „Mitteilungsblatt“ dabei keinen Gesamtüberblick über die „Gefolgschaft“ des Ostministeriums liefert, liegt zum einen in der Tatsache begründet, dass Beamte, die keine Veränderung ihres Berufsverhältnisses ab Dezember 1943 durchliefen, selbstverständlich nicht aufgeführt wurden. Zudem muss man davon ausgehen, dass nicht alle Umbauten der Personalstruktur auch tatsächlich hier ihren Niederschlag fanden, wie eine Mitteilung des Ministerstellvertreters Alfred Meyer im Januar 1944 andeutete:
„Es ist in letzter Zeit wiederholt vorgekommen, daß eigenmächtig ohne Wissen der Personalabteilung Neueinstellungen vorgenommen worden sind und dieser hiervon erst nachträglich Mitteilung gemacht wurde. […] Einstellungen, Entlassungen, Versetzungen (auch innerhalb des Ministeriums oder der Nebenstellen) oder Abordnungen erfolgen ausnahmslos durch die Personalabteilung.“
Gerade auch der rasche Zerfall des Reichsministeriums für die besetzten Ostgebiete, der spätestens im Sommer 1944 einsetzte, beeinträchtigt die Aussagekraft des „Mitteilungsblattes“: Für die ersten Monate des Jahres 1945 wurden gerade einmal noch 14 Veränderungen im Personalwesen vermerkt, die zumeist lediglich Angestellte betrafen, während das Ausscheiden führender Köpfe wie Otto Bräutigam oder Gottlob Berger keine Erwähnung mehr fand. Eine annähernd vollständige Erhebung aller führenden Beamten des Ministeriums kann mithilfe des „Mitteilungsblattes“ somit nicht durchgeführt werden – für die weitere Suche liefert es aber eine Fülle von Ansatzpunkten, die in den kommenden Monaten weiterverfolgt werden können.
Quelle:
Mitteilungsblatt des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete, Berlin, Nr. 25/1943-Nr. 7/1945.
[1] Nicht berücksichtigt wurden Stenotypistinnen, Küchenmeister und FernsprecherInnen.