Lebenslauf
1. März 1906 | Geburt in Biberach an der Riß |
bis 1921 | Besuch der Volks- und Oberrealschule |
1921 – 1924 | Lehre bei der Gewerbebank Biberach |
1923 | Mitbegründer der NSDAP-Ortsgruppe Biberach/Riß |
1925 – 1928 | Handelshochschule Mannheim; Ersatzabitur und Diplomkaufmann |
1928 | Wiedereintritt in die NSDAP |
1929 -1930 | Studium an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen; Promotion |
Jan. 1931 – Dez. 1933 | Wirtschaftsredakteur beim nationalsozialistischen “Hamburger Tageblatt”; zuletzt Chefredakteur |
1933 – 1934 | Regierungsdirektor, danach Präsident in der Behörde für Wirtschaft im Hamburger Senat; Gauwirtschaftsberater der Hamburger Gauleitung der NSDAP |
1935 – 1937 | Ministerialrat im Reichswirtschaftsministerium (RWM); Referent für Südamerika; “Gruppe Außenhandel” bei der Vierjahresplanbehörde |
1937 | Eintritt in die SS |
1937 – 1940 | stellvertretender Leiter der Außenhandelsabteilung im RWM |
1940 | Ernennung zum Ministerialdirektor und Leiter der “Sonderabteilung Vorbereitung und Ordnung” im RWM |
1941 – 1944 | Leiter der Ostabteilung im RWM; Leiter der Chefgruppe Wirtschaft im Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete; Chef der “Hauptgruppe gewerbliche Wirtschaft” im Wirtschaftsstab Ost der Vierjahresplanbehörde; Präsidiumsmitglied in der “Südosteuropa-Gesellschaft” |
ab Februar 1944 | Infanterieausbildung beim Münchner SS-Flak-Ausbildungs- und Ersatzregiment; Einberufung in die Waffen-SS |
1945 | Gefangennahme durch amerikanische Truppen bei Mergentheim |
1945 – 1947 | Kriegsgefangenschaft und Arbeitseinsatz in Frankreich |
1947/48 | Zeuge im IG-Farben-Prozess und Wilhelmstraßen-Prozess |
ab Januar 1948 | Berater für die amerikanische Militärstaatsanwaltschaft in Berlin und München |
September 1948 | Umzug nach Barsbüttel (Schleswig-Holstein) |
20. Dezember 1948 | Einstufung in Gruppe V (“entlastet”) durch den Entnazifizierungshauptausschuss Kreis Stormarn in Ahrensburg |
ab Oktober 1950 | Umzug nach Düsseldorf; Unternehmensberater für die Großindustrie, u.a. Friedrich Flick und Fritz-Aurel Goergen |
1969 | Zeuge in einem Prozess der Berliner Staatsanwaltschaft gegen frühere Angehörige des Reichssicherheitshauptamtes |
17. Mai 1989 | Tod in Düsseldorf |
Literatur
Brunecker, Frank/Rak, Christian: Dr. Gustav Schlotterer – Verbrecher oder Widerständler?, in: Proske, Wolfgang (Hrsg.): Täter, Helfer, Trittbrettfahrer, Bd. 4: NS-Belastete aus Oberschwaben, Gerstetten 2015, S. 225-239.
Stegen, Eike: Schlotterer vor Berlin. Sozialisation und Lehrjahre eines nationalsozialistischen Wirtschaftspolitikers, Berlin 2014. [unveröffentlichte Masterarbeit]
Zellhuber, Andreas: “Unsere Verwaltung treibt einer Katastrophe zu…”. Das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete und die deutsche Besatzungsherrschaft in der Sowjetunion 1941-1945 (= Berlin & München. Studien zu Politik und Geschichte, Bd. 3), München 2006.
Quellen
IfZ München, ZS 1430, Gustav Schlotterer.
Normdaten
GND: 129441457
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich lese mit großem Interesse, daß Gustav Schlotterer im Februar 1944 in die Waffen-SS einberufen wurde. Seltsam. Ich war immer der Ansicht (aber Wissen veraltet natürlich), daß sich Reichsdeutsche nur freiwillig zur Waffen-SS melden konnten. Ein Einberufungsrecht, so meine rudimentären Kenntnisse, hatten die drei traditionellen Wehrmachtteile der Waffen-SS nur im Ausland zugestanden. So kam es insbesondere in den letzten Kriegsjahren zu dem hohen Anteil von “Volksdeutschen” in der Waffen-SS.
Meine Vermutung: Sie haben die “Einberufung” zur Waffen-SS aus den Entnazifizierungsakten Schlotterer. So etwas wurde in der Entnazifizierung gerne behauptet. Man muß es aber nicht wiederholen.
Korrigieren Sie mich, wenn ich falsch liege. Und fragen Sie jemand, der sich auskennt. Am sichersten in Potsdam.
Mit den besten Grüßen aus einem maskenfreien Büro (da schreibt sich lockerer)
Ihr
Rainer Fröbe, Hannover
Sehr geehrter Herr Fröbe,
vielen Dank für den Hinweis, ich werde dem beizeiten nachgehen. Der Hinweis “zur Einberufung zur Waffen-SS” stammt vermutlich aus Brunecker/Rak. Die EN-Akten hatte ich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der hier gezeigten Biografie noch nicht vorliegen.
Mittlerweile verfüge ich aber über einen größeren Quellenkorpus zu Schlotterer und kann die genannte Einberufung bzw. Waffen-SS-Tätigkeit bei einer ersten Sichtung nicht nachvollziehen. In den nächsten Wochen werde ich die Akten prüfen und die Biografie aktualisieren.
Beste Grüße,
Philipp T. Haase
Lieber Herr Haase,
schön, daß die Forschung trotz Corona weitergeht. In Hannover kann man das Negativtalent Gustav Schlotterer um eine nicht unwichtige Seite ergänzen: die Vernetzung der Ostexpansion der Wirtschaft (Reichswirtschaftsministerium, Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete, Wirtschaftsstab Ost). Weiß man da mehr? Zellhuber ist dürftig.
Ganz nebenbei: Ist inzwischen auch “der Korpus” erlaubt? Vielleicht brauche ich mal einen neuen Duden.
Nichts für ungut. Bleiben Sie am Ball!
Rainer Fröbe
Bitte an Herrn Haase weiterleiten:
Sehr geehrter Herr Haase, ich bin Filmhistoriker und arbeite derzeit unter dem Titel “Die Bildsprache der Okkupanten” über ns-deutsche Filmaktivitäten in den besetzten Ostgebieten. In diesem Zusammenhang finde ich in den Rosenberg-Tagebüchern (Frankfurt/M, 2015) den Rosenberg-Eintrag: “Schlotterer: Fragen der Filmproduktion im Osten wird besprochen.” (S. 430). Da Sie sich in Sachen Schlotterer gut auskennen, haben Sie vielleicht noch weitere Details, ob und wie sich Schlotterer mit Filmfragen beschäftigt hat. Ich wäre Ihnen für Tipps und ähnliches sehr dankbar.
Übrigens: Alle Filmfragen wurden von der neugegründeten Zentralfilmgesellschaft Ost m.b.H. (ZFO) wahrgenommen, auch die ökonomischen.
Ansonsten hat sich Rosenberg – soweit ich sehe – nicht mit Filmfragen auseinandergesetzt.
Inzwischen besten Gruß. Und: zu Gegendiensten gern bereit.
Günter Agde
Sehr geehrter Herr Agde,
vielen Dank für Ihre Anmerkung und die freundliche Anfrage. Bzgl. der Film-Aktivitäten Schlotterers kann ich Ihnen nicht unmittelbar weiterhelfen, aber womöglich können Sie mir in der Angelegenheit nochmal per Mail schreiben, dann kann ich Ihnen noch etwas zu den Quellen sagen (siehe unter “Team”). Was die Filmaktivitäten des RMO angeht: Verantwortlich war in der Presse- und Propaganda-Abteilung Hans Hohenstein, dessen Biografie Sie auf unserer Seite finden können. Er leitete das Referat I 8 g “Rundfunk und Film Ost”, zuständig für politische Richtliniengebung, rundfunkpolitische Steuerung, Programmgestaltung, Sondergruppen und Geheim-Sender, Funktechnische Überwachung sowie filmpolitische Steuerung (Produktionsplanung, Technik) und Überwachung und Lenkung der Produktion der ZfgO mbh. Geschäftsführer war in Personalunion der Abteilungsleiter I 8 Job Zimmermann, dessen Biografie finden Sie hier auch auf der Webseite. Schreiben Sie mir gern nochmal per Mail, Ihr Projekt klingt interessant! Beste Grüße, Philipp Haase
Lieber Herr Haase,
um noch einmal auf unseren eMail-Verkehr vom November 2020 zurückzukommen: weiß man inzwischen, unter welchen Bedingungen der Eintritt von Dr. Gustav Schlotterer in die Waffen-SS zustandekam? Ist das Projekt der Formulierung “Einberufung” noch einmal nachgegangen?
Herzlichen Dank und viel Erfolg an der Forschungsfront
Rainer Fröbe