„Es wird gleich Ministerium. […] Ich freue mich unmenschlich.“ Die Vorgeschichte des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda in den Tagebucheinträgen von Joseph Goebbels

Eine viel genutzte Quelle zur Geschichte des Nationalsozialismus sind die Tagebücher von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels. Seine in den Jahren 1923 bis 1945 notierten Erlebnisse und Einschätzungen, insbesondere der Akteure des nationalsozialistischen Regimes, liefern einen Einblick in das Innere des „Dritten Reichs“ und den Aufstieg der NSDAP. Zugleich stellen die Tagebücher jedoch, wie Peter Longerich in seiner Goebbels-Biographie schreibt, „den bewussten Versuch des Propagandisten Goebbels dar[…], eine Hauptquelle für eine später zu schreibende Geschichte des Nationalsozialismus zu schaffen und dabei insbesondere die künftige Interpretation seiner eigenen historischen Rolle massiv zu beeinflussen, wenn nicht zu kontrollieren“. Entsprechend (quellen-)kritisch ist mit dem Material, das als Gesamtbestand 1992 in einer Glasplattenüberlieferung im ehemaligen Sonderarchiv Moskau entdeckt und vom Institut für Zeitgeschichte ediert wurde, umzugehen.

Titelblatt der Publikation von 1934

Bereits 1934 veröffentlichte Goebbels selbst seine Tagebucheinträge bzw. montierte diejenigen aus der Zeit vom 1. Januar 1932 bis zum 1. Mai 1933 zu einer „historischen Darstellung“ über „die deutsche Revolution“, als „Denkmal für die kämpfende Partei und S.A.“ Was in „Vom Kaiserhof zur Reichskanzlei“, so der Titel von Goebbels‘ Buch, zu lesen ist, unterscheidet sich zum Teil in bezeichnender Weise von seinen eigentlichen Tagebucheinträgen. Nicht nur sind Letztere eher kurz und stichwortartig gehalten, wohingegen in der Publikation von 1934 die Ereignisse plastischer und propagandistisch ausformuliert sind, sondern auch inhaltlich setzt Goebbels teils andere Akzente. In beiden Dokumenten geht er auch auf die Gründung seines Ministeriums für Volksaufklärung und Propaganda am 13. März 1933 ein und erwähnt dabei auch einige seiner Mitarbeiter. Die Schilderung dieser Aufbauphase des Ministeriums soll in zwei Blogbeiträgen in den Blick genommen werden, von denen der erste sich auf die Vorgeschichte bis zur eigentlichen Gründung am 13. März 1933 bezieht. Diese erlebte der (zukünftige) Minister offenbar als ein Wechselbad der Gefühle.

Am Tag der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, dem 30. Januar 1933, notierte Goebbels in sein Tagebuch, dieser habe ihm tags zuvor „feierlich erklärt, daß mir mein Ministerium sicher“ sei, zunächst werde jedoch „ein Strohmann als Platzhalter“ eingesetzt. „Das genügt mir“, hielt Goebbels dazu fest. Wenige Tage später zeigte er sich jedoch enttäuscht und, wie er am 6. Februar schrieb, „ganz deprimiert“. Man quetsche ihn an die Wand, Hitler helfe ihm kaum. Kursierende Gerüchte, er werde Rundfunkkommissar, bezeichnete er als „[e]kelhaft“ (Eintrag vom 2. Februar 1933). Mit der Ernennung Rusts zum preußischen Kultusminister sah Goebbels zudem einen Bereich schwinden, den er für sein zukünftiges Ressort beanspruchte. Und als Walther Funk, der zum Ministerialdirektor und Chef der Pressestelle der Reichsregierung ernannt worden war und damit als besagter „Strohmann“ fungierte, mit dem Anliegen bei Goebbels vorstellig wurde, Staatssekretär für Presse und Propaganda zu werden, hielt dieser fest: „Das fehlte noch.“ (6. Februar) „Wie demütigend“, lautete dann sein Kommentar, als Hitler ihm am 7. Februar telefonisch mitteilte, er habe „schon mit Funk gesprochen ‚wegen meines Ministeriums‘“ (10. Februar); Goebbels hatte in diesen Tagen aufgrund einer Grippe zu Hause bleiben müssen.

Seine Frustration erwähnte er in „Vom Kaiserhof zur Reichskanzlei“ nicht. Dort schrieb er, in einer Unterredung mit dem Führer sei festgelegt worden, „daß ich bis zur Beendigung des Wahlkampfes frei vom Amt bleibe, um unbehindert die Agitation durchführen zu können“ (29. Januar). Am 5. Februar habe Goebbels „mit dem neuernannten Reichspressechef Funk den Aufbau unseres gleich nach der Wahl zu errichtenden neuen Ministeriums für Volksaufklärung und Propaganda“ durchgesprochen, das „etwas durchaus Modernes und einzigartig Neues darstellen“ solle. Die Vorbereitungen, so sein Eintrag für den 9. Februar, „für mein neues Ministerium sind auf der ganzen Linie im Gange. Der Führer selbst drängt stark dahin und wünscht, daß wir gleich nach der Wahl damit anfangen.“

Goebbels (hinten, 2. von links) mit Hitler, Göring und von Papen (sitzend) am 30. Januar 1933 |
ÖNB Wien, S 376/40, online: http://www.bildarchivaustria.at/Preview/351540.jpg

Die Einträge der folgenden Wochen sind vor allem vom Wahlkampf für die Reichstagswahl vom 5. März 1933 geprägt. In beiden Dokumenten erwähnt Goebbels aber eine Besprechung mit Hitler „bis in die tiefe Nacht“ über das Ministerium, mit dem es gleich am 6. März, zunächst als Reichskommissariat, losgehen solle (15. bzw. 16. Februar). Tatsächlich notierte Goebbels für den Tag nach der Reichstagswahl eine weitere Besprechung mit dem Reichskanzler, bei der der Aufbau des Ministeriums beraten wurde: Presse, Rundfunk, Film, Theater und Propaganda solle dieses „in einer einzigen, großzügigen Organisation vereinigen“. Keine Zeit sei mehr zu verlieren. In seinem Tagebuch zeigte sich Goebbels hier zögerlicher als Hitler: Dieser „will es sofort. Ich bin noch im Zweifel.“ Denn er selbst wolle „eine ganze Sache“; Goebbels fürchtete nämlich, nicht alle Kompetenzen für sein Ressort zu bekommen. Auch war die Statusfrage – Reichskommissariat oder Ministerium – noch in der Schwebe. Zum Staatssekretär hatte er laut seinen Aufzeichnungen nun doch Reichspressechef Funk ausersehen, mit dem er noch am gleichen Tag die Pressestelle am Wilhelmplatz besichtigte. Diese sollte zum Dienstsitz des Ministeriums umfunktioniert werden – „ein wunderbarer Schinkelbau, aber in der Ausstattung so veraltet und überlebt, daß wir zuerst einmal gründlich werden aufräumen müssen“ (6. bzw. 7. März).

Der Umbau der Räumlichkeiten sollte Goebbels noch in mehreren Tagebucheinträgen beschäftigen. Am 12. März hielt er nach einer erneuten Besichtigung mit Funk am Vortag fest: „Da muß noch vieles gemacht werden. Aber laßt mich nur mal ran.“ Und er setzte hinzu: „Auch eine Reihe von faulen Köpfen herauswerfen.“ Für den Aufbau seines Ministeriums war in seinen Augen also auch eine personelle Umstrukturierung unumgänglich, was er in dem 1934 veröffentlichten Buch noch deutlicher formulierte: „[W]ie in den Zimmern aufgeräumt werden muß, so auch unter den Menschen. Die von gestern können nicht Wegbereiter von morgen sein“ (11. März). Inwiefern sich dieser Aspekt in Goebbels‘ Tagebucheinträgen und in „Vom Kaiserhof zur Reichskanzlei“ konkretisiert, wird Thema eines weiteren Blogbeitrags sein.

Die Vorgeschichte des Ministeriums abschließend, sei hier noch auf Goebbels‘ Reaktion auf die offizielle Genehmigung seiner Behörde eingegangen. Nachdem diese am 7. März als Kommissariat durch das Kabinett gegangen war, hielt er nach wie vor am Plan eines Ministeriums, den er weiter ausarbeitete, fest und vermerkte: „Ich habe schon große Freude daran“ (8. und 9. März). Eine Besprechung mit Hitler am 8. März ergab dann: „Er ist einverstanden. […] Es wird gleich Ministerium. Ende der Woche soll es fertig sein. Ich freue mich unmenschlich.“ Am 11. März 1933 genehmigte das Kabinett schließlich, gegen die Stimme Hugenbergs, die Einrichtung eines Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, wie Hitler Goebbels persönlich mitteilte, und der angehende Minister schrieb in sein Tagebuch voller Begeisterung: „Morgen unterschreibt Hindenburg. Funk, Film, Theater, Presse, Propaganda. Alles also, was ich wünsche. Herrlich! […] Er [Hitler] ist ganz glücklich und ich auch. Wir schmieden Pläne für mein Ministerium. Ich werde gleich Minister und mein Amt gleich vollwertiges Ministerium. Fabelhaft! […] Ich bin so glücklich. Welch ein Weg! Mit 35 Jahren Minister. Nicht auszudenken. Ich danke Hitler“ (12. März). In „Vom Kaiserhof zur Reichskanzlei“ heißt es dagegen weitaus bescheidener: „Zu Hause schmiede ich mit dem Führer zusammen Zukunftspläne für mein neues Ministerium. Ich werde etwas zaghaft, wenn ich daran denke, daß ich erst wenig über 35 Jahre alt bin und jetzt mit einer so großen Last von Verantwortung beladen werde. Ich danke dem Führer, daß er mir dieses Maß an Vertrauen entgegenbringt“ (11. März).

Insbesondere in dem privaten Tagebucheintrag, der deutlich überschwänglicher als der 1934 veröffentlichte ist, wird auch Goebbels‘ Erleichterung über die gelungene Errichtung seines Ministeriums erkennbar. Diese war, wie sich seinen Aufschrieben entnehmen lässt, kein „Selbstläufer“, sondern hatte innerhalb des Kabinetts ausgehandelt und gegen Widerstände durchgesetzt werden müssen.

 

 

Quellen:

Goebbels, Joseph: Vom Kaiserhof zur Reichskanzlei. Eine historische Darstellung in Tagebuchblättern (Vom 1. Januar 1932 bis zum 1. Mai 1933), München 1934.

Fröhlich, Elke (Hrsg.): Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Teil I: Aufzeichnungen 1923–1941, Band 2/III: Oktober 1932–März 1934, bearb. v. Angela Hermann, München 2006.

Literatur:

Longerich, Peter: Goebbels. Biographie, München 2010.

Mühlenfeld, Daniel: Vom Kommissariat zum Ministerium. Zur Gründungsgeschichte des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, in: Hachtmann, Rüdiger/Süß, Winfried (Hrsg.), Hitlers Kommissare. Sondergewalten in der nationalsozialistischen Diktatur, Göttingen 2006, S. 72–92.

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